Meiji-Schrein – Olympia-Hallen
- Takeshita-dori - Omote-sando -
Beschauliche Stille, schrille Teens und europäisches
Flair
Wenn Ihnen die Abenteuerlust nicht geradezu im Blut liegt
oder der Moloch Tokyo Sie recht befremdlich anmutet, dann
sollten Sie Ihre Erkundigungen am besten in der Harajuku-Gegend
um die Omote-sando beginnen und eventuell mit einem Einkaufsbummel
verbinden. Hier zeigt sich die Hauptstadt von ihrer europäischen
Seite: Die breite, mit Bäumen gesäumte Allee, die
Edel-Boutiquen und Straßen-Cafes wirken beruhigend
vertraut. Selbst die verwirrenden Kanji-Schriftzeichen sind
hier spärlicher gesät, es überwiegt das westliche
Alphabet. Sogar Naturliebhaber werden hier, inmitten der
Metropole, auf ihre Kosten kommen: In unmittelbarer Nähe
laden Meiji-Schrein und Yoyogi-Park zum beschaulichen Verweilen
ein. Der Ausgangspunkt Harajuku verheißt ein abwechslungsreiches
Programm, darunter ein Streifzug durch die Takeshita-dori,
die Straße der Fashion-Kids, oder ein Besuch in einem
Holzschnitt-Museum.
Meiji-Schrein
1867, er war 17 Jahre alt, bestieg Mutsuhito, der Meiji-Kaiser,
als 122. Herrscher den Thron. Als er nach 45 Jahren starb,
hatte sich Japan von Grund auf gewandelt. Aus dem rückständigen
Agrarland war eine ernstzunehmende moderne Nation geworden,
die Anschluß an den Westen suchte. Wie weit der junge
Kaiser die weichenstellenden Entscheidungen der Anfangsjahre
beeinflussen konnte, sei dahingestellt. Unbestritten ist
jedoch, daß er Japans Entwicklung in einer Weise geprägt
hat, wie kein anderer Regent zuvor. Bestattet ist der Meiji-Kaiser
in Fushimi, südlich der alten Kaiserstadt Kyoto. Zu
Ehren des Tenno und seiner 1914 verstorbenen Gemahlin Shoken
wurde 1920 inmitten eines weitläufigen Parks im Bezirk
Shibuya der Meiji-Schrein nach fünfjähriger Bauzeit
in einer prunkvollen Zeremonie eingeweiht. Ein Luftangriff
im April 1945 legte die Hauptgebäude in Schutt und Asche,
erst 1958 wurden sie in der heutigen Form wiederaufgebaut.
Wer wie die meisten Besucher die Anlage durch den Haupteingang
betritt, wird von einem riesigen Torii begrüßt.
Ein breiter Kiesweg, gesäumt von hochgewachsenen Bäumen,
führt in das Innere des Parks. Unter den 100000Büschen
und Bäumen, gespendet aus allen Landesteilen, sind nahezu
sämtliche in Japan vorkommenden Arten vertreten. Nach
wenigen Schritten schon fühlt man sich wie in einer
Oase der Stille, belebt nur von Vogelgezwitscher. Ganz gedämpft
dringt bisweilen der Lärm der Großstadt herein.
Es sei denn, es ist Feiertag: Am Neujahrstag etwa, am 3.November,
wenn sich der Geburtstag des Meiji-Kaisers jährt, oder
am 15.November (s. auch S.17/18), wenn die Sieben-, Fünf-
und Dreijährigen mit ihren Eltern den Schrein aufsuchen,
herrscht ein Gedränge wie auf den Bahnhöfen zur
Stoßzeit. Ein kleiner Trost an diesen Tagen: Selten
sieht man so viele Frauen und Kinder (vereinzelt auch Männer)
in prächtigen Kimonos. Und beim **Schreinfest (3.Nov.)
sind No-Aufführungen und Konzerte mit klassischer höfischer
Musik (gagaku) eine besondere Attraktion.
Die Anlage
Den Weg zum Schrein überspannt ein weiteres Torii gewaltigen
Ausmaßes: Das O-torii ist aus 12m hohen Zypressenstämmen
gefertigt, die aus den Bergwäldern Taiwans stammen; über
1500 Jahre alt sollen die Bäume gewesen sein, als sie
gefällt wurden.
Insbesondere im Mai und Juni lohnt sich ein Abstecher in
den *Iris-Garten zur Linken des Torii: Über 100 verschiedene
Schwertlilienarten entfalten dann eine unglaubliche Farbenpracht.
Ende Oktober dagegen lockt eine Chrysanthemen-Ausstellung
mit exquisiten Exemplaren. Eine Chrysanthemenblüte schmückt
das Wappen der kaiserlichen Familie; als Ornament ist es
daher in der gesamten Schreinanlage reichlich vertreten.
(1.März - 3.Nov. tägl. 9-16.30 Uhr, übrige
Zeit 9-16 Uhr.)
Über den Nordausgang des Gartens kommt man wieder zurück
zum Kiesweg. Einige Meter noch und der Schrein kommt in Sicht.
Die klaren Linien der Shinto-Architektur bezaubern nicht
nur den Fachmann, der Meiji-Schrein gilt zu Recht als eines
der beeindruckendsten und elegantesten Bauwerke Tokios. Im
Vorbezirk, den ein weiteres Torii und ein schmuckloser Holzzaun
einfrieden, liegt zur Linken ein überdachter Brunnen.
Hier beginnt, folgt man der vorgeschriebenen Etikette, der
Schreinbesuch. In einer von der Verwaltung herausgegebenen
Broschüre heißt es: „Achten Sie darauf,
daß Ihre Kleidung der Gelegenheit angemessen ist. Wenn
Sie das Torii durchschritten haben, begeben Sie sich zum
Brunnen. Reinigen Sie zuerst sorgfältig Ihre Hände,
schöpfen Sie sodann Wasser in die Handmulde und spülen
Sie den Mund aus. Niemals die Wasserkelle direkt an den Mund
führen!“
Durch das Haupttor betritt man den mit Steinplatten ausgelegten
Innenhof. Das gedeckte Braun der aus Zypressenholz errichteten
Gebäude und des umlaufenden Ganges, die matten Kupferziegel
der Dächer verströmen eine fast klösterliche
Atmosphäre. Man durchquert den Hof und steigt ein paar
Stufen zur Anbetungshalle (Haiden) hinauf. Getrennt durch
einen zweiten Innenhof und der Öffentlichkeit nicht
zugänglich liegt die Haupthalle (Honden). Wer seinen
Gebeten Nachdruck verleihen will, kann an einem Verkaufsstand
ein Votiv-Täfelchen (Ema) erwerben und seine Wünsche
schriftlich niederlegen. Ein Holzgerüst rund um den
Baum rechts von der Anbetungshalle ist mit Hunderten dieser
Täfelchen bestückt, die Besucher aus aller Welt
dort zurückgelassen haben.
Im Parkgelände hinter dem Schreinkomplex liegt das Schatzhaus
(Homutsuden), in dem Gegenstände aus dem Besitz des
Kaisers und der Kaiserin aufbewahrt werden. Neben Möbeln,
Kleidungsstücken und Büchern ist dort auch eine
prächtige sechsspännige Karosse zu besichtigen:
Mit ihr fuhr der Kaiser zu jenem denkwürdigen Staatsakt,
bei dem die Verfassung von 1889 verkündet wurde. (März-Okt.
9-16.30 Uhr, übrige Zeit 9-16 Uhr; jeden 3. Freitag
im Monat geschl.)
Nun hat man die Qual der Wahl: Ein Einkaufsbummel in der
Takeshita-dori und Omote-sando oder eine Fortsetzung der
Besichtigungstour:
Olympia-Hallen (Yoyogi-Sportzentrum) von 1964 (südlich
vom Meiji-Schrein). Schwimm- und Volleyballhalle, Bauten
des wohl berühmtesten japanischen Architekten der Gegenwart,
Kenzo Tange, gehören zu den architektonischen Hauptattraktionen
Tokios. Ihre kühn geschwungenen Dächer aus Eisenbeton
zeigen Elemente klassischer japanischer Baukunst, verknüpft
mit modernsten Ausdrucksformen. Die Gebäude wollen umwandert
werden: Je nach Standort ergeben sich immer wieder neue und überraschende
Perspektiven. Nur wenige Schritte entfernt liegt der Yoyogi-Park
(Yoyogi-koen), den man von den Hallen über eine Fußgängerbrücke
erreicht. Er hat eine bewegte Geschichte: Ursprünglich
ein Exerzierplatz der kaiserlichen Armee, wurde das Areal
nach dem Krieg von den Besatzungstruppen okkupiert, die dort
Soldatenunterkünfte errichteten. Die Siedlung trug damals
den wohlklingenden Namen Washington Heights. Anläßlich
der Olympiade in Tokio 1964 räumten die Amerikaner das
Feld und die Olympioniken zogen dort ein. Als das Olympische
Feuer in Tokio erloschen war, rollten die Abbruch-Kommandos
an. Es entstand eine großzügige Parkanlage mit
Radwegen, Liegewiesen und lauschigen Plätzchen für
Liebespaare und geplagte Musiker - in der Regel Blechbläser,
denen gereizte Nachbarn wohl das Üben in den eigenen
vier Wänden untersagt haben.
Wie wäre es nun mit dem Einkaufsbummel? Die Gegend um
den Harajuku-Bahnhof ist das modische Zentrum der Stadt,
das der Ginza schon längst den Rang abgelaufen hat.
Die weniger betuchten aber ultra-modebewußten Kids
befriedigen ihre Fashion- Bedürfnisse in der Takeshita-dori und in den zahllosen Lädchen der Seitenstraßen.
Den anspruchsvollen Kunden zieht es in die Luxusboutiquen
der Omote-sando. Die Einheimischen vergleichen sie gern mit
den Pariser Champs-Elysées. In der Tat hat die breite
Allee ein gewisses europäisches Flair. Auch Ausländer
fühlen sich davon sichtlich angezogen: In Scharen bevölkern
sie die Straßencafés, die andernorts in Tokio
kaum zu finden sind. Eine Fundgrube für Souvenirjäger
ist der Oriental Bazar
Schade wäre es, wenn man dem kleinen, aber feinen Ota-Museum
(Ota-kinen-bijutsukan; hinter dem Laforet) keine Beachtung
schenken würde. Die Galerie kann eine Sammlung von über
12000 Holzschnitten (Ukiyo-e) berühmter Meister wie
Hiroshage oder Hokusai ihr eigen nennen. Allein schon die
gelungene Innenausstattung mit einem Steingarten und einer
Teestube ist einen Besuch wert. (10.30-17.30 Uhr, montags
und vom 25. bis zum Ende jeden Monats geschl.)
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